Melanie
ist keine Vegetarierin – trotzdem entscheidet sie sich in der Mensa häufig für
das fleischlose Gericht. So auch am Montag, als im Physikrestaurant in Science
City ein peruanischer Gemüseeintopf mit Limettensauce auf Quinoa auf dem
Speiseplan steht. Als Gelegenheitsvegetarierin kennt Melanie die
getreideähnlichen Quinoa-Samen, die auch als Inkareis oder Andenhirse bekannt
sind. Sie hat deshalb auch bedenkenlos zugegriffen – und bereut ihre Wahl
nicht: «Das ist besser als die sonstigen Vegi-Menüs.» Fast 300 Personen probierten
am Montag das mit dem Slogan «weniger CO2 – 100 Prozent Geschmack»
aufwändig beworbene eaternity-Menü. Die Reaktionen sind mehrheitlich positiv.
Ernährung und
Klimawandel hängen zusammen
Die
Ernährung trägt einen wesentlichen Teil zu den weltweiten CO2-Emissionen
bei. Wer pflanzliche statt tierische und
saisonale statt im Gewächshaus gezüchtete Produkte konsumiert, kann den CO2-Ausstoss
beeinflussen. «Unser Ziel ist, die Leute darauf zu sensibilisieren», sagt
Judith Ellens, Masterstudentin der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich mit
Schwerpunkt Ökologie und Evolution, die das Projekt eaternity ins Leben gerufen
hat und als Koordinatorin amtet. Nebst den Flyern macht der Verein mit Plakaten
auf Fakten rund um eine ökologische Ernährung aufmerksam und
bietet auf der Webseite einen
CO2-Rechner an, mit dem einzelne Zutaten sowie
ganze Menüs auf ihre Klimafreundlichkeit getestet werden.
Judith
Ellens ist zufrieden mit der Präsenz von eaternity und dem Grundtenor der
Mensabesucherinnen und -besucher am ersten Tag. Sie wollen die ETH-Angehörigen
nicht zu Vegetariern umerziehen, betont Ellens. «Aber die Leute sollen sich
bewusst werden, dass das, was auf ihrem Teller landet, das Klima beeinflusst –
und ich glaube, das werden wir mit dieser Aktion erreichen.» Das Pilotprojekt
läuft bis am 11. Dezember. Danach evaluiert der Verein eaternity zusammen mit
den Verantwortlichen von SV Schweiz, ob ein Bedürfnis nach einem
klimafreundlichen Menü grundsätzlich da ist.
Vegi oder Fleisch?
Auch
die üblichen Vegi-Menüs seien zwar in der Regel gut, aber eben nicht jeden Tag
gleich ansprechend, sagt Biochemiestudentin Melanie. Sie bedauert, dass
Vegetarier in der Mensa nicht zwischen mehreren Menüs wählen können. Während im
Physikrestaurant täglich vier Fleischgerichte angeboten werden, bleibt
Vegetariern, denen das aktuelle Menü nicht zusagt, nur das Salatbüffet.
«Wahrscheinlich ist die kleine Auswahl an fleischlosen Gerichten ein Grund
dafür, dass sich nur eine Minderheit vegetarisch ernährt.»
Zum
eaternity-Menü gehört auch ein Saisonsalat. Alles in allem entspricht das Mittagessen
am Montag 350 Gramm CO2-Äquivalenten. Als angehende Biochemikerin
ist Melanie die CO2-Problematik alles andere als fremd, doch nicht
alle kennen sich in dieser Materie aus. Der Flyer, der den Besucherinnen und
Besuchern in der ersten Woche des Pilotprojekts im Eingang zum Physikrestaurant
in die Hand gedrückt wird, liefert die Hintergründe: Dass CO2-Äquivalente
das Treibhauspotenzial aller freigekommenen Klimagase, von der Herstellung
einer Zutat bis zum Produktverkauf, umgerechnet in CO2, angeben. Und
dass das eaternity-Menü nach diesen Berechnungen rund 65 Prozent weniger CO2
verursacht als die fleischhaltigen Gerichte. Melanie wusste bereits, dass die
Ernährung Einfluss auf die persönliche Ökobilanz hat. «Die Ausmasse hätte ich aber
nie so riesig eingeschätzt», gibt sie zu.
Die
angehende Bauingenieurin Silvana stempelt das klimafreundliche Gericht als
«typisches Mensa-Essen» ab. «Das Salz fehlt, ansonsten ist es ganz gut.» Sie
sei aber, was Essen anbelangt, auch nicht so heikel, fügt sie an. Einer ihrer
Kommilitonen wirft ein: «Ich für meinen Teil bin sehr heikel – und sogar mir
hat es geschmeckt.»
Gegen Fleischkäse ist
kein Kraut gewachsen
Im
Schnitt greifen rund 23 Prozent der Besucherinnen und Besucher des
Physikrestaurants zum Vegi-Teller, weiss Michael Jegge von SV Schweiz, der die grösste
Mensa auf dem Hönggerberg leitet. Dass das eaternity-Menü diese Marke am ersten
Tag noch nicht ganz zu erreichen vermochte, führt Jegge auf die starke
Konkurrenz zurück: «Der Fleischkäse mit Rösti und Bohnen, den wir am Montag
unter anderem im Angebot hatten, ist ein absoluter Renner bei unseren Gästen.» Da
sei auch ein noch so gutes Vegi-Menü chancenlos. Der SV Service unterstützt das
Projekt eaternity, obwohl es der Mensa einen Mehraufwand beschert. Jegge geht
davon aus, dass das klimafreundliche Menü ähnlich erfolgreich wie der übliche
Vegi-Teller sein wird. Auf die Frage, ob eine dauerhafte Umstellung auf die CO2-armen
Menüs realistisch wäre, antwortete er: «Diese Entscheidung liegt nicht bei mir
– aber machbar ist grundsätzlich alles.»
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