Bad Kreuznach (agrar-PR) - Wenn alljährlich im November und Dezember Medaillen
und Ehrenpreise an die erfolgreichen Teilnehmer der
rheinland-pfälzischen Landesprämierung in den sechs Anbaugebieten des
Landes vergeben werden, stehen natürlich die großen Weine des Jahres
und ihre Erzeuger im Mittelpunkt. Eine Ausnahme bilden die Anbaugebiete
Rheinhessen und Nahe. Hier sind es nicht nur Winzer,
Erzeugergemeinschaften oder Kellereien, die sich aus freien Stücken
einem Qualitätswettbewerb stellen. Hier besinnt man sich anlässlich der
Wein- und Sektprämierung darauf, dass bestes Pflanzgut erst die
Voraussetzung für beste Weinqualität und den wirtschaftlichen Erfolg
der Weinbaubetriebe schafft. Daher hat sich hier die Tradition des
Prämierungsentscheids der Rebveredler erhalten, dem sich jährlich
zwischen 25 und 30 Betriebe stellen.
Bis
ein Winzer überhaupt einen Weinberg anlegen kann, in dem er später die
Trauben erntet aus denen er seine Weine keltert, haben schon drei
Instanzen davor ihre Arbeit erledigt.: Ein Züchter hat eine spezielle
Selektion einer vorhandenen Rebsorte oder die Kreuzung zweier Rebsorten
vorgenommen. Der Rebveredler, der die Pflanzschule bewirtschaftet, hat
auf eine Unterlage einen Rebsortenklon aufgepfropft, das Pflanzgut
vermehrt und in der erforderlichen Qualität und Quantität zur
Verfügung gestellt. Die Landwirtschaftskammer als staatliche
Anerkennungsbehörde hat die Züchtung anerkannt und in mehreren
Anerkennungs- und Kontrollschritten die Vermehrung zu Pflanzreben,
deren Sortierung und Verkauf begleitet und mit einem Pflanzenpass nach
EU-Norm die erforderlichen gesundheitlichen Eigenschaften der Pflanze
attestiert. Ohne Rebveredlung, ohne die Betriebe, die gesundes und
leistungsfähiges Pflanzmaterial bereit stellen, ist Qualitätsweinbau
längst nicht mehr möglich.
Vor etwas mehr als 100 Jahren war das noch ganz
anders. Rebveredlung war da im Weinbau überhaupt kein Thema. Erst eine
existenzielle Gefährdung des Weinbaus in Europa durch einen bis dahin
unbekannten Schädling und eine geniale Verteidigungsstrategie machten
Rebveredlung hier zur verbreiteten Selbstverständlichkeit. Rebveredlung
setzte sich als erfolgreichste biologische Schädlingsbekämpfung aller
Zeiten rasch durch.
Das Jahr 1865 ist nicht wegen eines großen
Weinjahrgangs ein ganz besonderes in der europäischen Weingeschichte.
Vielmehr ist ein unscheinbar kleines und in seiner Lebensform recht
kurioses Insekt verantwortlich dafür, dass dieses Jahr zum Merkdatum
wurde. Es ist das Jahr, in dem die Reblaus (
Vitaeus vitifliae)
nach Frankreich eingeschleppt wurde und sich von da an rasant über das
Land ausbreitete. Binnen weniger Jahre waren 2,5 Mio. Hektar Rebfläche
zerstört, ohne dass irgendwelche Schutzmaßnahmen mit Aussicht auf
Erfolg auch nur konzipiert waren, obwohl sich die klügsten Köpfe des
Landes in Krisenstäben mit Louis Pasteur an der Spitze damit
beschäftigten. Die Reblaus stammt aus Nordamerika und ernährt sich
durch Saugen an den Reben. Andere Pflanzen sind vor ihr völlig sicher.
Man unterscheidet weiblich Wurzelläuse, die zahlreiche Eier legen, aus
denen im Sommer sich einige zu geflügelten Rebläusen häuten und das
Erdreich verlassen. Auch sie sind alle weiblich und legen Eier aus
denen männliche und weibliche Larven, die sogenannten
Geschlechtstiere, schlüpfen. Denen fehlen Kauwerkzeuge und
Verdauungsorgane, da ihre einzige Bestimmung darin besteht, für
Nachwuchs zu sorgen. Das Männchen stirbt nach dem Begattungsakt, das
Weibchen nach der Ablage eines einzigen Eis, aus dem im Frühjahr eine
Laus als Mutter aller Folgegenerationen schlüpft. Sie legt die Eier für
die oberirdische Generation an den Blättern und für die Wurzelläuse,
die den zerstörerischen Kreislauf schließen.
In Californien hatte sich in den Millionen
Jahren der Evolution eine gegenseitige Anpassung von Parasit und
Wirtspflanzen entwickelt, so dass die dortigen Rebsorten zwar befallen
wurden, aber nicht abstarben. In Europa aber hatte diese Evolution
nicht stattgefunden. Für eine funktionierende Symbiose, wie in Amerika,
fehlten die Voraussetzungen. Die Reblausinvasion traf die hier
heimischen Rebsorten völlig unvorbereitet. Bei Befall bildeten sich an
den Wurzeln Wucherungen, die das Leitgewebe schädigten. Im Winter
faulten die Wucherungen, und das Wurzelsystem starb ab, und zwar in
einer Rasanz, dass die Rebstockvernichtung infolge Reblausbefall sich
epidemieartig ausbreitete.1874 trat die Reblaus in der Gartenanlage
Annaberg bei Bonn und damit erstmals auch in Deutschland auf. Sie traf
hier allerdings auf eine gut vorbereitete Verteidigungslinie mit
verschiedenen Quarantäne- und massiven Bekämpfungsmaßnahmen Am Ende
des 19. Jahrhundert aber galten deutschlandweit dennoch 156 ha Rebland
als verseucht. Die Gefährdungslage blieb außerordentlich hoch, bis die
Ampelografie die Wende einleitete und mit der Freigabe des
Pfropfrebenanbaus im Jahre 1925 die indirekten Bekämpfung endgültig den
Triumph über die Reblaus brachte.
Die
geniale Idee der Bekämpfung durch Pfropfen beruhte auf der Erkenntnis,
dass der in Amerika praktizierte oberirdische Kreislauf der Reblaus
über die Blätter bei den europäischen Reben ausblieb. Es kam hier
ausschließlich zum Befall und Absterben der Wurzeln Bei den
amerikanischen Sorten hatte der Wurzelbefall dagegen nicht zum
Absterben geführt. Das war der Schlüssel zur Bekämpfungsstrategie
mittels Rebveredlung. Zunächst wurde in Deutschland der Anbau der
amerikanischen Reben verboten, damit der Blattbefall unterbunden
wurde; sämtliche Bestände wurden vernichtet. Reblausbekämpfung wurde
zur hoheitlichen Aufgabe. Die Herstellung und der Anbau von veredelten
Pfropfreben unterliegen bis heute der staatlichen Kontrolle.
Die Pfropfrebe besteht damals wie heute
aus zwei Bestandteilen. Der oberirdische Teil besteht aus einer
europäischen Rebe, die nicht am Blatt befallen werden kann, und die als
definierte Rebsorte (Klon) den späteren Wein in seiner Art bestimmt.
Aufgepfropft wird diese Rebe als Edelreis mit einem Austriebsansatz
(Auge) auf eine unterirdische Unterlage, die aus
reablausunempfindlichen amerikanischen Sorten gekreuzt wurde. Die
Unterlage übernimmt über ein tief greifendes Wurzelwerk später die
Nährstoff- und Wasserversorgung. Aus dem Edelreisauge wächst der
Rebstamm, der Reben, Blätter und schließlich Trauben hervorbringt Der
Rebveredler stellt die Verbindung der beiden Bestandteile her, indem er
mit speziellen Schnitten ein gemeinsames Wundgewebe (Kallus) bildet.
Darin verwachsen beide miteinander und werden zur pflanzlichen,
reblausresistenten Einheit
Im Rebenveredlungsbetrieb werden die
jungen Pfropfreben so lange gehegt und gepflegt, bis sie im Freiland
der Rebschule über eine gesamte Vegetationsperiode kultiviert werden.
Wenn sie 1 Jahr alt sind, kann die Pflanzung durch den Winzer erfolgen.
In der Regel zwei Jahre nach der Pflanzung im Weinberg trägt der
Rebstock die ersten Trauben und erreicht ab dem dritten seine volle
Leistungsfähigkeit. Der so angelegte Weinberg kann eine Lebensdauer
von 30 Jahren und, wenn gewollt, noch mehr erreichen. Im Hinblick auf
Reblausvorsorge muss der Winzer lediglich verhindern, dass sich
oberhalb der Veredelungsstelle Wurzeln bilden oder es unterhalb zu
Blattaustrieb kommmt, da beides der Reblaus wieder eine Angriffsfläche
bieten würde. Solches geschieht häufig in aufgegebenen und
verwilderten Weinbergen (Drieschen), deren Beseitigung auch unter
diesem Gesichtspunkt eine dringende Aufgabe ist. Reblausbefall wurde in
den vergangenen Jahren wieder häufiger festgestellt. Betroffen waren
wurzelechte Reben und Pfropfreben der Unterlagensorte 26 G. 2006 wurde
das Anpflanzen wurzelechter Reben verboten. Zu verhindern, dass sich
die Reblaus neue Lebensbedingungen erschließt und damit wieder zu einer
großen Gefahr wird, ist eine wichtige Aufgabe für Züchter, Rebveredler
und Winzer. Die Funktion der Rebveredler besteht dabei in der
Kultivierung resistenter Unterlagen und der Selektionierung nach
Maßgabe der jeweiligen Standortbedingungen des anzulegenden Weinbergs.
Mit der Wahl der Pfropfkombination von Unterlage und Klon entscheidet
der Rebveredler nicht zuletzt auch fundamental über den
wirtschaftlichen Erfolg der neuen Rebanlage. Er kann dabei auf
umfassende Affinitätsversuche etwa des DLR Rheinpfalz zurückgreifen.
Die Landwirtschaftskammer betrachtet die
Prämierung von besonderen Betriebsleistungen als Anerkennung und
Ansporn zugleich. Die Bewertung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst
wird im Zuge einer Feldbesichtigung im Sommer eine Beurteilung der
Rebschule nach definierten Kriterien vorgenommen. Später wird die
Beschaffenheit des setzreifen Pfalzguts geprüft und ebenfalls anhand
vorgegebener Kriterien mit Punkten bewertet. Bei der Rebschulprämierung
2008/2009 für die Anbaugebiete Rheinhessen und Nahe, die gemeinsam
mit der Wein- und Sektprämierung in Mainz vorgenommen wurde, wurden
mit einer goldenen Kammerpreismünze ausgezeichnet:
Rolf Dexheimer, Unterwendelsheim 56, 55234 Wendelsheim
Weingut Jäger, Rheinstr.17, 55437 Ockenheim
Wolfgang Kern, Neustr. 24, 55578 Wallertheim
Gerold Knewitz, Außerhalb 13, 55437 Appenheim
Walter Kiefer, Wallertheimer Str. 5, 55288 Armsheim-Schimsheim
Werner Magmer, Hauptstraße 19, 55546 Biebelsheim
Ulrich Martin, Rebschule, 67599 Gundheim
Jürgen Mauer, Mittelstraße 22, 55578 Gau-Weinheim
Hans-Günther Müller, Wackernheimer Str. 6, 55270 Schwabenheim
Adelheid Reimann, Klosterweg, 55452 Guldental
Klaus-Heinrich Rupp, Schulstraße 9, 55578 Wallertheim
Heinz-Willi Sommer, Mühlweg 19, 55599 Siefersheim
Klaus Schäfer, Wallertheimer Str. 8, 55288 Armsheim-Schimsheim
Peter Strubel, Wilhelm-Leuschner-Str. 3, 55237 Flonheim-Uffhofen
Ernstfried Wennesheimer, Westring 29, 67550 Worms-Abenheim