Jena/Halle(Saale) (agrar-PR) -
Kleine Bodenorganismen entscheiden über die Zusammensetzung von Wiesen Wirbellose Tiere im Boden haben einen größeren Einfluss auf die
Vegetation als bisher gedacht. Ihr Anteil entscheidet beispielsweise
darüber, ob
sich auf einer Wiese mehr Gräser oder mehr Kräuter ausbreiten. Zu diesem
Ergebnis kommt eine Studie der Universitäten Jena und Potsdam zusammen
mit dem Max-Planck-Institut
für Biogeochemie und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). In
einem Feldexperiment wurden dazu Bergwiesen im Frankenwald und im
Thüringer Schiefergebirge fünf
Jahre lang untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Aktivität
pflanzenfressender Wirbelloser im Boden ein wichtiger Faktor ist, der
die Pflanzenvielfalt der Wiesen erhöht.
Die Pflanzenfresser im Boden hätten einen viel größeren Einfluss als die
Pflanzenfresser über der Grasnarbe, schreiben die Forscher im Fachblatt
Ecology.
Die Bedeutung von Insekten und Schnecken als Schädlinge in der Forst-
und Landwirtschaft ist in den letzten Jahrhunderten intensiv erforscht
worden. Vergleichsweise wenig
Wissen gibt es dagegen über die Bedeutung dieser pflanzenfressenden
Wirbellosen für natürliche Ökosysteme. "Unsere Studie ist die erste, die
auf Landschaftsebene zeigt, dass
die Artenvielfalt der Pflanzen bestimmt, welche Auswirkungen wirbellose
Pflanzenfresser auf das Ökosystem haben", erklärt Dr. Claudia Stein, die
die Untersuchungen im
Rahmen ihrer Doktorarbeit am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
durchgeführt hat. Mit Ihrem Experiment konnten die Ökologen zeigen, dass
der Zusammenhang zwischen
Biodiversität
und dem Funktionieren von Ökosystemen durch sehr komplexe
Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Organismengruppen im
Nahrungsnetz bestimmt wird. So konnte
eine frühere Studie aus dem Projekt zum Beispiel anhand des Gemeinen
Grashüpfers (
Chorthippus parallelus) zeigen, dass ein Rückgang der Vegetationsvielfalt sich auch
auf solche weit verbreiteten Tierarten negativ auswirken kann.
Die jüngsten Studie zeigte außerdem, dass sich die Zusammensetzung
der Wiesen durch die Fraßtätigkeit der pflanzenfressenden Wirbelosen im
Boden veränderte, während die
gesamte
Biomasse
im Durchschnitt ungefähr gleich blieb. "Die Fraßtätigkeit dieser
kleinen unscheinbaren Tiere stellt einen wichtigen Faktor für die
Artenvielfalt der
Pflanzen auf den Wiesen dar. Dieses Ergebnis bestätigt theoretische
Vorhersagen", ergänzt Steins Kollege Dr. Harald Auge.
Für das Experiment untersuchten die Forscher Bergwiesen im
Frankenwald und im Thüringer Schiefergebirge in Höhen zwischen 500 und
870 Metern. Die Flächen liegen zwischen
Tettau und Lobenstein - also auf beiden Seiten der ehemaligen
innerdeutschen Grenze. Seit dem Mittelalter werden diese Wiesen für die
Produktion von Heu genutzt. Aus über
70 Flächen wählten die Forscher 14 aus, deren Gras seit mindestens zehn
Jahren zweimal jährlich gehauen wird, die aber nicht beweidet oder
gedüngt werden. Anschließend wurde
die vorhandene Vegetation auf den fünf mal fünf Meter großen
Versuchsflächen genau registriert. Auf einen Teil der Versuchsflächen
wurden dann Insekten- und Schneckengifte
eingesetzt, die die Fressfeinde der Pflanzen im und oberhalb des Bodens
beseitigten. Die Veränderungen in der Vegetation verglichen die Forscher
fünf Jahre lang mit
denen auf unbehandelten Versuchsflächen vor Ort. Die Anzahl der
Pflanzenarten betrug am Anfang - also vor den Experimenten - zwischen 13
und 38 Arten pro Quadratmeter, die insgesamt
zwischen 272 und 1125 Gramm
Biomasse pro Jahr produzierten. Nach nur vier Jahren ging beispielsweise die
Anzahl der Pflanzenarten auf einer mit Insektiziden behandelten
Versuchsparzelle um zehn Prozent zurück.
Schwankungen bei Temperatur und Niederschlag zwischen einzelnen
Untersuchungsjahren verfälschen oft Kurzzeitstudien. "Unsere Ergebnisse
zeigen, wie wichtig es ist,
Langzeituntersuchungen durchzuführen, denn hätten wir die Untersuchung
nach einem oder zwei Jahren beenden müssen, dann wären wir zu völlig
anderen Ergebnissen gekommen",
betont Dr. Claudia Stein. Künftige Studien sollten sich daher stärker
auch auf andere Funktionen von Ökosystemen konzentrieren, statt nur die
Produktivität in Form der
Biomasse über der Erde zu messen, schlussfolgern die Forscher. Ihre Untersuchung
hat gezeigt: Das was über der Erde wächst, hängt entscheidend von dem
ab, was unter der
Erde passiert.
Tilo Arnhold
Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Internationalen
Jahr der Biologischen Vielfalt erklärt. Ziel ist es, dass Thema
biologische Vielfalt mit seinen vielen
Facetten stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit seiner
Expertise trägt das UFZ dazu bei, die Folgen und Ursachen des
Biodiversitätsverlustes zu erforschen
sowie Handlungsoptionen zu entwickeln. Mehr dazu erfahren Sie unter:
www.ufz.de/index.php?de=16034
www.ufz.de/data/ufz_spezial_april08_20080325_WEB8411.pdf
Die Biodiversitätsforschung in Deutschland ist auf zahlreiche
Institutionen wie Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen und
Ressortforschung bis hin zu
Naturschutzverbänden und Firmen verteilt. Das Netzwerk-Forum zur
Biodiversitätsforschung, ein Projekt im Rahmen von
DIVERSITAS-Deutschland, möchte der Forschungscommunity
deshalb eine gemeinsame institutionsunabhängige Kommunikationsstruktur
und -kultur anbieten. Mehr dazu erfahren Sie unter:
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