Freising-Weihenstephan (agrar-PR) - Ein frisch gezapftes, kühles Bier – das ist
für Viele ein Hochgenuss. Doch eigentlich müsste man beim Trinken ein
schlechtes Gewissen haben:
Denn Bier ist in der Herstellung eines der
energieintensivsten Lebensmittel überhaupt. Brauingenieure der
Technischen Universität München (TUM) arbeiten daran, die Energiebilanz
des Gerstensaftes zu verbessern. Sie erforschen eine neue
Verfahrenskombination, mit der man beim Brauen bis zu 20 Prozent
Energie einsparen könnte. Auf der Fachmesse drinktec in München
(14.-19. September) stellen die Weihenstephaner Wissenschaftler das
Herzstück ihrer energiesparenden Idee aus.
Seit
über hundert Jahren gilt für Brauereien ein technisches Grundgesetz:
Sie alle brauchen einen Dampfkessel, um Bier zu brauen. Denn nur ein
mächtiger Dampf-Kessel kann Temperaturen von 110 bis
160 Grad Celsius
erzeugen, die zum Eindampfen des „Rohbiers“, der so genannten Würze,
nötig sind.
Dieser Prozess benötigt sehr viel Energie: Fast die Hälfte
des Gesamtenergieverbrauchs einer klassischen Brauerei, nämlich 45
Prozent, wird zur Würzebereitung benötigt. Seit Jahren tüfteln
Ingenieure deshalb an Lösungen, die den Wärme- und Stromverbrauch im
Brauwesen senken.
Eine ihrer Ideen ist der Einsatz vom
Blockheizkraftwerken, die durch Kraft-Wärme-Kopplung sehr
energieeffizient und umweltschonend arbeiten. Doch fürs Sudhaus eignet
sich diese Technologie bisher leider nicht: Blockheizkraftwerke
erzeugen neben Strom zwar auch Wärme, allerdings nur bis 90 Grad
Celsius. Zum Würzeeinkochen sind aber mindestens 110 Grad Celsius
notwendig. Ingenieure vom Lehrstuhl für Rohstoff- und
Energietechnologie der TU München verfolgen seit August 2008 eine heiße
Spur,
um dieses Manko zu beheben: Sie kombinieren das
Blockheizkraftwerk mit einem so
genannten „Zeolithspeicher“.
Solche
Speicher arbeiten thermochemisch, mittels Zeolith-Kugeln von 2-3 mm
Durchmesser. Diese porösen Kügelchen bestehen aus Silikatmineralen und
sind ein guter Wärmespeicher: Ein Gramm Zeolith hat eine innere
Oberfläche von etwa 500 Quadratmetern. Diese Poren saugen sich mit
Wasser voll. Wird das Zeolith erwärmt, trocknen die Kügelchen aus - der
Speicher ist geladen. Sobald man wieder Wasser zuführt, setzen die
Zeolith-Kugeln mit bis zu 250 Grad Celsius Wärme frei. Die
Brauingenieure der TUM machen sich dieses thermochemische Prinzip
zunutze, um die 90 Grad Celsius aus dem Blockheizkraftwerk fürs Sudhaus
um die fehlenden 20 Grad Celsius aufzustocken.
Dazu wollen sie
ein leeres Zeitfenster im Produktionsprozess nutzen. „Nachts braucht
eine mittelständische Brauerei nur wenig Energie“, so Projektleiter
Dr.-Ing. Winfried Ruß. „In dieser Zeit speisen wir die ungenutzte Wärme
des Blockheizkraftwerks in den Zeolithspeicher ein.“ Tagsüber, wenn zum
Würzekochen hohe Temperaturen gefragt sind, kann die zusätzliche Wärme
zum gewünschten Zeitpunkt fast auf einen Schlag wieder ins Gesamtsystem
eingespeist werden, sozusagen per „Wärme-Booster“ auf Knopfdruck. Damit
rückt das ressourcenschonende Niedrigenergie-Bier in trinkbare Nähe.
Im
Computer funktioniert die neu kombinierte Produktionskette schon
perfekt. Der Praxistest beginnt jetzt:
Die Forscher der TU München
haben unter Mithilfe von Kollegen der RWTH Aachen am Standort
Weihenstephan erstmals einen Versuchsstand gebaut, der die Vorgänge im
Sudhaus mit der neuen Gerätekombination simuliert. Winfried Ruß ist
neugierig auf die Messdaten: „Wir wissen bereits, dass es funktionieren
wird. Aber wie viel Energieeinsparung möglich ist, wissen wir noch
nicht.“ Die Forscher gehen von mindestens zehn Prozent aus.
Im
zweiten Schritt werden die TUM-Ingenieure dann den Energiehaushalt der
gesamten Brauerei nachstellen. Vom Reinigungssystem über Sudhaus sowie
Gär- und Lagerkeller bis hin zur Flaschenabfüllung sollen dann alle
Anlagen mit nur 90 Grad Celsius anstatt bis zu 160 Grad heißem Dampf
beheizt werden. Dadurch und durch zusätzliche Abwärmenutzung erwarten
die Forscher eine Energieeinsparung von insgesamt 20 Prozent. „Das ist
mehr, als alle Energiesparmaßnahmen in der Brauindustrie der
vergangenen zehn Jahre in der Summe gebracht haben“, so Ruß. Bis Mitte
2011 wird das Experiment abgeschlossen sein. Auf das Ergebnis warten
kleine und mittlere Brauereien gespannt: Erste Interessenten für das
anschließende Pilotprojekt haben sich schon gemeldet.
Womöglich
können wir also schon in ein paar Jahren echtes „Energiespar-Bier“
trinken – mit gesundem Durst und einem grünen Gewissen. Die dazu nötige
Technik kann man sich vom 14.-19. September schon auf der Fachmesse
drinktec 2009 ansehen: Die Weihenstephaner Forscher der TU München
stellen dort ein Modell des Zeolithspeichers aus. Kommen Sie uns
besuchen: in Halle A4 auf dem Münchner Messegelände in Riem, Stand 335,
täglich zwischen 9 und 18 Uhr.
Kontakt:
Privatdozent Dr.-Ing. Winfried Ruß
Lehrstuhl für Rohstoff- und Energietechnologie
Abt. Thermische Verfahren
Technische Universität München
85350 Freising-Weihenstephan
Telefon: 08161 / 71 – 38 65
Email:
winfried.russ@wzw.tum.de
Hintergrund:
Das
Forschungsprojekt „Entwicklung einer Verfahrenskombination zur
energieeffizienten Wärmeversorgung von Brauereien“ wird von der DBU -
Deutsche Bundesstiftung Umwelt mit 400.000 Euro gefördert und in enger
Zusammenarbeit mit der Brauereimaschinenfabrik und Apparatebauanstalt
Kaspar Schulz, Bamberg umgesetzt. Das Vorhaben, das der Lehrstuhl für
Rohstoff- und Energietechnologie der TU München zusammen mit Kollegen
vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik der RWTH Aachen bearbeitet,
läuft noch bis August 2011.