Berlin (agrar-PR) - "Auch wenn die neue Koalition klare Festlegungen
vermeiden will: Schwarz-Gelb setzt auf die völlige Freigabe der
AKW-Laufzeiten und damit auf den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Damit
nimmt Bundeskanzlerin Angela Merkel zusätzliche Gefahren für die
Bevölkerung in Kauf und gefährdet den Ausbau der Erneuerbaren
Energien." So bewertete Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland (BUND) den Stand der
Koalitionsverhandlungen in der Energie- und Atompolitik. "Das Angebot
der Energiekonzerne, Zusatzgewinne aus längeren AKW-Laufzeiten in
erneuerbare Energien zu investieren, ist ein Danaergeschenk. Wer
Atomgewinne für den Ausbau der erneuerbaren Energien abzweigen will,
lenkt nur von den Risiken und Nachteilen der Atomenergienutzung ab",
sagte Weiger in einer Zwischenbilanz der Koalitionsverhandlungen, die
der BUND zusammen mit dem Energieexperten Professor Uwe Leprich vom
Saarbrücker Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES) zog. Sollten die
Erneuerbaren Energien durch die neue Koalition benachteiligt werden,
gefährde dies auch eine große Zahl künftiger Arbeitsplätze. Derzeit
arbeiteten bereits allein in Deutschland 280.000 Menschen in diesem
Bereich.
Leprich wies die These von Union und FDP, die
Atomkraft sei als "Brückentechnologie" unverzichtbar, zurück.
Laufzeitverlängerungen für die deutschen Atommeiler würden die
Erneuerbaren Energien behindern. Auch das Argument der Energiekonzerne,
eine grundlastbasierte Stromerzeugung sei nur mit Atom- und
Kohlekraftwerken möglich, sei unhaltbar. Leprich forderte verstärkte
Investitionsanreize zum Bau klimaschonender Kraft-Wärme-gekoppelter
Energieanlagen und zur besseren Integration erneuerbarer Energien in
die Stromnetze. Außerdem müssten die monopolartigen Strukturen im
Energiesektor aufgelöst und die Netze unabhängig von den
Energieerzeugern bewirtschaftet werden. Bei geeigneten politischen
Rahmenbedingungen ließe sich der Anteil der erneuerbaren Energien an
der Stromproduktion von derzeit 15 Prozent auf mindestens 40 Prozent im
Jahr 2020 steigern. Diese Entwicklung werde zwangläufig von der
zentralistischen Struktur der Großkraftwerke wegführen.
"Langfristig können wir unseren Strom zu 100
Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen. 2050 benötigen wir kein
einziges Atom- und Kohlekraftwerk mehr, höchstens noch ein paar
Gaskraftwerke", sagte Leprich. Unverzichtbar sei auch die
Vorrangregelung zur Einspeisung Erneuerbarer Energien in die Netze.
Immer mehr Länder auf der Welt würden die deutsche Einspeiseregelung
kopieren, um ihre nationalen Klimaschutzziele überhaupt erreichen zu
können.
Statt Laufzeitverlängerungen für alte und
abgeschriebene Atommeiler zu beschließen forderte der BUND die
Streichung indirekter Atomkraftsubventionen wie den Verzicht auf
Nachrüstungen, das Fehlen einer Brennelementesteuer und unzureichende
Haftpflichtversicherungen gegen Störfälle. Der Umweltverband sprach
sich außerdem für die Aufgabe der Endlagerbaustelle in Gorleben aus und
forderte eine ergebnisoffene Suche nach einem neuen Standort im
gesamten Bundesgebiet.
Unabdingbar für die Energiewende sei auch die
Senkung des Energie- und Stromverbrauchs. Eine der ersten Aufgaben der
neuen Koalition müsse deshalb die Wiedervorlage des in der letzten
Legislaturperiode gescheiterten Energieeffizienzgesetzes inklusive der
Einrichtung eines Energieeffizienzfonds in einem Umfang von etwa zwei
Milliarden Euro pro Jahr sein. Mithilfe dieses Fonds müsse die
Verbreitung sparsamer Elektrogeräte und effizienter Gebäudetechnik
beschleunigt werden. Große Reserven zur Energieeinsparung ließen sich
zudem mit höheren Energiestandards bei Neubauten und schnelleren
Sanierungen im Gebäudebestand mobilisieren.