Berlin (agrar-PR) - Vor Beginn der Internationalen Automobilausstellung
(IAA) hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) der
Autoindustrie vorgeworfen, mit dem selbst erzeugten Hype um
Elektroautos und der Präsentation einiger weniger sparsamer Prototypen
auf der Messe von den bereits jetzt vorhandenen Möglichkeiten zum
Spritsparen abzulenken. Die Öffentlichkeit werde auch getäuscht, indem
sogenannte "Premiumwagen" als Arbeitsplatz sichernde Zukunft der
Autoindustrie gepriesen würden. All dies zeige, dass die Manager der
deutschen Autokonzerne trotz oder auch wegen der Abwrackprämie aus der
Wirtschaftskrise nichts gelernt hätten. Sie würden erneut eine
ökologische Herausforderung verschlafen - diesmal den Trend zu
kleineren und leichteren Fahrzeugen.
Auf der IAA würde den Besuchern erneut die rosige
Vision einer ungebrochenen Mobilität ausgemalt. Das sei völlig
unrealistisch, deshalb sei die Messe "der fortgesetzte Versuch, die
Öffentlichkeit gezielt zu täuschen", sagte der BUND-Verkehrsexperte
Werner Reh. Die Probleme zu Ende gehender Ölreserven und des
fortschreitenden Klimawandels würden ausgeblendet. Schon heute gehe ein
Fünftel der Erderwärmung aufs Konto des Verkehrs, Tendenz steigend. Um
den Erfordernissen des Klimaschutzes gerecht zu werden, nannte Reh für
das Jahr 2020 ein Ziel von 80 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer als
maximalen Durchschnittswert der Neuwagenflotte aller Hersteller. Damit
die realen CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs 2020 um 25
Prozent geringer ausfielen als heute, müsse der Durchschnittswert
deutscher Neuwagen von derzeit 165 Gramm pro Kilometer mindestens
halbiert werden. Zum Erreichen dieses Klimaziels könnten Elektroautos
lediglich rund zwei Prozent beitragen. Nur wenn die Hersteller die
Effizienz neuer benzingetriebener Autos bis 2020 verdoppelten, sei eine
ausreichende Minderung der realen CO2-Emissionen möglich. Gelinge dies nicht, werde die Anhebung der Mineralölsteuer oder eine CO2-Abgabe für Pkw unvermeidlich.
Der unabhängige Verkehrsexperte Axel Friedrich
forderte, die Effizienz benzingetriebener Neuwagen entscheidend zu
verbessern. Die dafür erforderlichen Komponenten stünden schon heute in
den Regalen der Autohersteller. "Das Umweltbundesamt hat nachgewiesen,
dass es weniger als dreihundert Euro kostet, die CO2-Emissionen
eines normalen VW-Golf pro Kilometer um 40 Gramm, also um fast ein
Viertel, zu senken. Und die Mehrkosten kommen durch die Spriteinsparung
spätestens in zwei Jahren wieder herein. Das ist die Richtung, in die
es gehen muss. Erforderlich ist auch die konsequente Anwendung der
Leichtbauweise. Wenn ein Kompaktwagen statt 1,3 Tonnen nur noch 800
Kilogramm wiegt, werden bei entsprechender Anpassung der Motorleistung
noch einmal vierzig Gramm CO2 pro Kilometer eingespart", sagte Friedrich.
Werner Neumann, Energiefachmann des BUND, sieht die
Vision ungezügelter Mobilität mithilfe elektrischer Antriebe skeptisch:
"Elektroautos werden die CO2-Emissionen der Autoflotte bis
2020 nur marginal verringern." Zwar hat der Elektromotor einen hohen
Wirkungsgrad und verursacht kaum Emissionen, wenn regenerativ erzeugter
Strom eingesetzt wird. Elektromobile nützen der Umwelt aber nur, wenn
sie mit Strom aus zusätzlich gebauten erneuerbaren Energie-Anlagen
fahren. Ein durch Elektroautos steigender Stromverbrauch darf nicht aus
neuen Kohlekraftwerken bedient werden. Dann wäre die CO2-Bilanz
schlechter als bei einem Pkw mit Benzinmotor. "Das Elektromobil darf
nicht zum Kohle- und nicht zum Atomstromauto werden", sagte Neumann.
Es bestehe außerdem die Gefahr, dass sich die
Autokonzerne das staatlich geförderte Ökomäntelchen Elektroauto
umhängen und zugleich die Hauptaufgabe einer raschen Senkung der CO2-Emissionen
herkömmlicher Autos vernachlässigen würden. Auch auf dieser IAA werde
so getan, als ob immer mehr Autos auf die Straßen der Welt gebracht
werden könnten. "Die Welt braucht nicht mehr, sondern weniger und vor
allem andere Autos. Diese müssen Ressourcen sparen, möglichst geringe
Emissionen verursachen und in neue Mobilitätskonzepte wie das
Carsharing eingebunden sein", sagte Neumann. Mobilität ganz ohne
Kohlendioxid- und Rußemissionen gebe es bereits im öffentlichen
Transportsektor, wenn dort regenerativ erzeugter Strom genutzt werde.
Der Ausbau des öffentlichen und des nichtmotorisierten Verkehrs müsse
deshalb Priorität haben.
Werner Reh: "Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel es
mit dem Klimaschutz ernst meint, muss sie am Donnerstag bei ihrer
IAA-Eröffnungsrede jenen Automanagern, die immer noch möglichst
schnelle, schwere und teure Autos preisen, endlich die Leviten lesen.
Das wäre nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Abmilderung der
aufkommenden Mobilitätskrise, es würde auch helfen, Arbeitsplätze in
Deutschland zu halten. VW hat sich jetzt mit dem Ökostromanbieter
Lichtblick zusammengetan, um die umweltfreundliche Energieerzeugung zu
fördern. Dieses Beispiel zeigt, wohin die Reise gehen muss."
Hier finden Sie die ausführliche
BUND-Position für eine zukunftsfähige Elektromobilität.