Herr Gruber, wie fühlt es sich an, wenn man den Zuschlag für
ein derartig grosses Projekt erhalten hat und eine solch enorme Summe
zugesprochen bekommt?Natürlich bin ich
hocherfreut – ein grosses und breitabgestütztes Team hat mehr als ein Jahr an
diesem Projekt gearbeitet, und da erntet man natürlich gerne die Früchte dieser
Arbeit. Ich bin aber auch ehrfürchtig, denn die Ziele sind hoch gesteckt, und
die eigentliche Arbeit steht uns ja erst noch bevor.
Was sind die Pläne des Climate-KIC?Auf der einen
Seite geht es uns darum, Ideen, Konzepte und Technologien zu entwickeln, mit
denen ein grosser Teil des antizipierten Klimawandels verhindert werden soll.
Unser Ziel ist es aufzuzeigen, wie eine nachhaltige Gesellschaft und Wirtschaft
in 20-50 Jahren aussehen soll, und dann die entsprechenden Lösungen zu
erarbeiten. Wir wollen konkret Produkteketten entwickeln, die unsere
elementaren Bedürfnisse wie Transport, Wohnen, und Arbeiten abdecken, dabei
aber einen viel geringeren Ausstoss von Treibhausgasen verursachen. Der zweite
Aspekt gilt der optimalen Anpassung an den Klimawandel. Denn selbst wenn wir
einen zusätzlichen Klimawandel verhindern können, haben wir beim Klima bereits
heute ein System in Bewegung gesetzt, das sich nur langsam abbremsen
lässt.
Wie sieht die Strategie konkret aus?Wir haben vier
Themenbereiche definiert. Einer davon umfasst Wasser, Nahrung und integrierte
Landnutzung. Hier geht es beispielsweise um optimale Wassernutzung bei
Bewässerung oder den Einsatz von Pflanzen, die mit wenig Wasser leben können.
Unter dieses Thema fällt aber auch der Hochwasserschutz.
Weitere Themen sind Klimaextreme im allgemeinen, wie beispielsweise Dürre,
sowie Kohlenstoff-Management.
Das sind in erster Linie Adaptionsmassnahmen. Wie sehen die
Pläne zur Verhinderung des Klimawandels aus?Beim
Schwerpunktthema Dekarbonisierung der Energie geht es beispielsweise um die
Idee des CO2-Capture und Storage, also darum, wie wir CO2 vor
oder nach dem Verbrennungsprozess abfangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt.
Ein weiterer Themenbereich befasst sich mit Städten und Mobilität, denn diese
Sektoren sind ebenfalls grosse Treibhausquellen. Die Infrastruktur und Häuser
der Zukunft sollen so gestaltet werden, dass sie nicht nur energieeffizient und
gut integriert sind in moderne Energiesysteme, sondern, dass beispielweise bei
einer Hitzewelle Gebäude kühl bleiben. Beim Verkehr ist die elektrifizierte
Mobilität ein Schwerpunkt.
Was sind Ihre persönlichen Erwartungen an das Climate-KIC?Ich habe grosse
Erwartungen daran. Ziel soll sein, Lösungsansätze zu entwickeln, so dass wir
die Herausforderung des menschgemachten Klimawandels an der Wurzel anpacken
können. Als Klimawissenschafter und Mitautor des 4. Klimaberichtes des IPCC
konnte ich mithelfen aufzuzeigen, was die Dimension des Problems ist. Nun geht
es darum, den nächsten Schritt zu machen. Die Herausforderung ist gewaltig,
denn wir müssen bei sehr grundlegenden Aspekten unserer Gesellschaft und
Wirtschaft ansetzen, um dem Klimawandel effektiv zu begegnen.
Wie werden die Pläne nun umgesetzt?Die Idee ist, fünf
starke Zentren zu haben, wo die Mehrheit der Aktivitäten, d.h. die Forschung,
die Innovation, aber auch die Ausbildung durchgeführt werden. Diese Zentren
werden von den fünf in Europa verteilten Hochschulknotenpunkten (siehe Kasten)
aufgebaut. Zürich wird dabei eines dieser Zentren betreiben, zusammen mit
lokalen Partnern wie z.B. der Stadt Zürich. Zum Climate-KIC Konsortium kommen
auch noch zehn grosse europäische Firmen, die in verschiedenen den Klimawandel
tangierenden Bereichen tätig sind, so wie eine Reihe von europäischen Regionen.
Die letzteren werden sich vor allem mit der Umsetzung beschäftigen.
Derartig viele und unterschiedliche Partner, sind da Probleme
und Interessenskonflikte nicht vorprogrammiert?Einfach ist das
alles sicher nicht. Die KIC-Projekte sind sehr ambitiös und komplex. Zusätzlich
müssen finanzielle und politische Aspekte berücksichtigt werden. Dabei wird es
immer wieder vorkommen, dass eine Gruppe nur ihre partikulären Interessen
verfolgt. Die positive Erfahrung der letzten Monate macht uns aber sehr
optimistisch, dass wir die Stärken der Partner und die daraus entstehenden
Synergien voll nutzen können werden.
Gibt es bisher vergleichbare Projekte?Nein, der Ansatz
ist auf europäischer Ebene ganz neu. Eine derartige Zusammenarbeit hat es bis
anhin noch nicht gegeben.
Was war für das Engagement der ETH ausschlaggebend?Dass die
Verhinderung des menschgemachten Klimawandels von entscheidender Wichtigkeit
ist. Zusätzlich handelt es sich dabei um einen Bereich, in dem der Austausch
zwischen den verschiedenen Bereichen Forschung, Lehre und Innovation bis jetzt
eher klein war, und wo die Innovation im Schnitt eher langsam fortschritt. Hier
bringt der Anschub für einen Austausch zwischen den drei Bereichen am meisten.
Zudem ist das Potential riesig. Das Klimaproblem ist ein globales. Alle auf
dieser Welt werden Lösungsansätze und neue Technologien brauchen. Wir sind
hervorragend aufgestellt, diese Chance wahrzunehmen und diesen Markt zu
besetzen. Strategisch ist für mich sonnenklar, dass wir handeln müssen. Durch
das EIT bekommen wir die Chance, das nun zu tun.
War es einfach, Partner zu gewinnen?Nein, das war
aufwändig, insbesondere da wir sicherstellen mussten, dass die Partner bereit
sind, den grössten Teil der Mittel bereit zu stellen. Das EIT gibt uns maximal 25
Prozent des gesamten Budgets, den Rest müssen wir selber auftreiben. Das verlangte
von allen Kern-Partnern aus der Wirtschaft verbindliche Zusagen in
Millionenhöhe. Da haben uns die guten Kontakte der verschiedenen Hochschulen
und auch das persönliche Engagement der Schulleitung, insbesondere vom vormaligen
Vizepräsidenten für Forschung und
Wirtschaftsbeziehungen, Peter Chen, sehr geholfen. Zusätzlich mussten wir die
ganze Organisation des KIC zuerst einmal definieren. Es ging darum zu
bestimmen, wie das Ganze geführt wird, woher das Geld kommt und wer entscheidet,
wie das Geld verteilt wird – das musste vorab, unter enormen Zeitdruck, geklärt
werden.
Zu dem Förderbetrag des EIT muss das Konsortium noch rund vier
Mal so viel einbringen. Was geschieht, wenn es das nicht schafft?Dann waren wir
ganz klar nicht erfolgreich, und wir können das Climate-KIC am Ende seiner
ersten Phase, d.h. nach 4 Jahren wieder beerdigen. Wir werden natürlich alles
daran setzen, dass dies nicht geschehen
wird. Im Vorfeld haben wir sehr genaue Abklärungen gemacht und einen
detaillierten Businessplan aufgestellt, der aufzeigt, wie wir die zusätzlichen
Geldmittel beschaffen. Die beteiligten Firmen haben schon namhafte Beträge in Aussicht
gestellt, und als starkes Konsortium haben wir gute Chancen, an europäische
Fördergelder zu gelangen. Mittelfristig kommen noch Einkünfte, etwa von Spin-offs,
dazu.
Was wird der nächste Schritt sein?Nun werden Leute
für das Projekt eingestellt, alle bisher Beteiligten bleiben weiterhin mit
dabei. Einen Interim-CEO haben wir schon bestimmt – er wird ab Januar das
Zepter übernehmen. Im Februar gründen wir eine europäische Firma, mit
voraussichtlichem Sitz in Brüssel. Diese wird das KIC führen und bei allen
Hochschulknotenpunkten einen Ableger haben. Die Knotenpunkte sind die zentralen
Elemente des KICs; dort finden die Projekte statt und auch vornehmlich der
Kontakt zwischen den verschiedenen Bereichen. Hier werden Master-Studierende
sowie Doktoranden ausgebildet. Jeder Knotenpunkt hat seine spezifischen
Partner. In Zürich sind das, wie schon oben genannt, die Stadt Zürich, aber
auch das Firmennetzwerk für nachhaltiges Wirtschaften (Oebu), die Firma VIVA!campus, und die
Forschungsinstitution Eawag. IBM und Siemens sind ebenfalls dabei als
sogenannte Venture Partner. Wir würden uns freuen, wenn wir noch weitere
Partner gewinnen könnten.
Sie machen den Eindruck als stünden Sie in den Startlöchern
und warten nur darauf loszulegen.Ja, wir haben
einen Businessplan und legale Strukturen, es ist alles definiert. Im Raum
Zürich wird im Mai die Arbeit aufgenommen, das Gesamtprojekt soll im dritten
Quartal laufen.
Welcher Zeithorizont ist vorgesehen?Die Idee ist, dass
das Projekt mindestens 15 Jahre läuft. Wir haben klare Zielvorgaben, die aber
noch vom EIT abgesegnet werden müssen. Dabei gibt es Meilensteine, die
eingehalten werden müssen. Unser langfristiges Ziel ist, dass das Climate-KIC
durch Produktentwicklungen, etwa in Spin-offs, finanziell unabhängig wird.
Das klingt sehr business orientiert, eher untypisch für ein
EU-Projekt.Das EIT ist eine ganz neue, business orientierte
Schiene, die von der EU kreiert wurde. Die Mehrheit des Governing Boards kommt
aus der Wirtschaft. Der Chef des EIT, Martin Schuurmans, war beispielsweise lange Zeit
Forschungschef bei den Philips Research Laboratories in Holland.
Wie kann die Schweiz das Climate KIC unterstützen?Mir liegt am
Herzen, dass wir weitere Schweizer Firmen einbinden können. Denn dadurch
könnten wir den Standort Zürich noch mehr stärken. Wir sind in der Schweiz
hervorragend aufgestellt. Wichtig ist, dass die Schweizer Wirtschaft
realisiert, dass hier ein Potential für sie ist, Technologien zu entwickeln,
für die in der Zukunft ein grosser Bedarf besteht.
Climate-KIC
Entstanden ist das
Projekt aus der
IDEA League heraus (siehe auch
Artikel in ETH Life vom 7.12.2009).
Die Partner der IDEA League haben im Vorfeld des Call for Proposals, vor etwa
zwei Jahren, geschaut, ob die Kapazität und das Interesse an einem KIC da ist
und wenn ja, in welchem Bereich. Die ETH übernahm dabei unter Leitung von
Professor Jaboury Ghazoul zusammen mit Imperial College London den Lead bei der
Machbarkeitsstudie zum Thema Klimawandel. Vor einem Jahr hat man sich dann
entschieden, ein Konsortium für das Climate-KIC aufzubauen, und die ETH Zürich
hat mit Imperial begonnen, zusätzliche Partner anzuwerben.Zum Climate-KIC-Konsortium
haben sich bisher auf der akademischen Seite neben der ETH Zürich und dem Imperial
College London in Grossbritannien, ein Konsortium in Paris unter Federführung
des IPSL und der ParisTech zusammen mit CEA (Frankreich), ein Konsortium im
Raume Berlin unter Leitung des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und
der TU Berlin, sowie ein holländisches Konsortium bestehend aus der Universität
von Utrecht, der Technischen Hochschule Delft, und der Universität von
Wageningen (Holland) zusammen geschlossen. Partner aus der Wirtschaft sind
Bayer, Beluga Shipping, Cisco, DSM, EDF, SAP, Shell, Schiphol Airport, Solar
Valley und Thales. Zu den Partnern aus dem öffentlichen Bereich gehört ein
Verbund von Regionen, der Zentral-Ungarn, Niederschlesien (Polen), Midlands
(GB), Hessen (D), Emilia-Romagna (IT) und Valencia (SP) umfasst.
Pressemeldung Download: