Bonn (agrar-PR) -
Man konnte es spätestens nach Nitrofen und Gammelfleisch erahnen. Der nächste
tatsächliche und nicht gefühlte Skandal rund um Lebensmittel wartet schon an
der nächsten Ecke. Nun
ist also Dioxin in etwa 2.700 Tonnen Futtermittel gefunden worden. Dummerweise
eben aber auch schon verfüttert und das Endprodukt ist bereits im Handel oder
im wahrsten Sinne gegessen. Was bei solchen Vorfällen wohl immer dazu gehört
ist die Verunsicherung der Verbraucher, geschädigte und zu Recht empörte
Landwirte, schockierte Politiker auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene, inklusive
dem Ruf nach schärferen Gesetzen.
Die Ursache für die Verunreinigung soll im Unternehmen Harles & Jentzsch in
Schleswig-Holstein liegen. Der Futtermittelzulieferer kaufte nach eigenen
Angaben Reste aus der Biodieselherstellung und der Nahrungsmittelindustrie auf
und verarbeitete sie zu Komponenten für die Futtermittelhersteller. Im November
und Dezember lieferten Harles & Jentzsch pflanzliches Futterfett an
bundesweit 25 Futtermittelhändler in NRW, Niedersachsen, Hamburg und Sachsen-
Anhalt. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit sollen sich in dem Futterfett technische Mischfettsäuren
befunden haben, die nicht für die Verwendung in Futtermitteln, sondern für den
Einsatz zur Papierherstellung bestimmt waren. Und da wären wir beim
eigentlichen Skandal und der Frage, warum ein Futtermittelzulieferer
Zwischenprodukte nutzt, die für sein Endprodukt schlicht nicht geeignet sind.
Und dazu noch die Gefährdung von Verbrauchern in Kauf zu nehmen scheint.
Die Frage, ob mehr Kontrollen nutzen, beantwortet sich bei der Betrachtung der
Zertifizierungen des betroffenen Unternehmens fast schon von selbst. Laut deren
Internetseite ist ihre Qualitätssicherung auf hohem Niveau: Zertifikat
ISO9001:2008, Zertifikat GMP+ B2, Zertifikat HACCP und zusätzlicher
Systemteilnahme bei QS. Das ist eigentlich mehr als ausreichend. Wenn man
danach handelt. Eine simple Wareneingangskontrolle von entsprechend geschultem
Fachpersonal hätte reichen müssen, um zu erkennen, welche Anlieferungen für
welche Produktionslinien taugen und welche vor allem nicht.
Das scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Besonders brisant an diesem Fall
ist auch die Tatsache, dass das Unternehmen nicht nur Futtermittelbestandteile,
sondern auch technische Produkte herstellt. Entsprechend kann man hier nicht
nach schärferen Kontrollen rufen sondern schlicht und einfach nach Justitia.
Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat entsprechend gehandelt und ein
Ermittlungsverfahren gegen Siegfried Sievert, den Geschäftsführer von Harles
& Jentzsch, sowie gegen weitere Verantwortliche des Unternehmens
eingeleitet.
Langfristige Konsequenzen werden auch von Bundesverbraucherministerin Ilse
Aigner gemeinsam mit den zuständigen Bundesländern geprüft: "Es stellt
sich die Frage, ob es nicht ein zu hohes Risiko darstellt, wenn Betriebe, die
Bestandteile für Futtermittel liefern, gleichzeitig technische Produkte
vertreiben, die unter keinen Umständen in Lebensmittel oder Futtermittel
gelangen dürfen. Es darf nicht sein, dass auf einem Betriebsgelände womöglich
ein Knopfdruck genügt, um durch das Öffnen eines falschen Ventils hochriskante
Stoffe, die legal lagern, illegal in Futtermittel einzumischen. Dem müssen wir
einen Riegel vorschieben", so Aigner. Die Frage nach der Haftpflicht und
entsprechenden Ausfallentschädigungen für die betroffenen Landwirte wird die
Gerichte sicher noch Monate beschäftigen. (aid)